Freitag, 26. Oktober 2007

Wie löse ich das Schreiben einer Reportage?

  • Ich lege mehr Wert auf Genauigkeit als auf Geschwindigkeit.
  • recherchiere vor Ort und nutze andere Informationsquellen (Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Internet etc.) lediglich als Anhaltspunkt oder zur Ideenfindung. Ebenso werden alle Daten und Fakten auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft.
  • Bei der Informationssuche nehme ich mir Zeit. Dabei lautet die Frage: Was will ich ausdrücken?
  • Ich kontrolliere den Entstehungsprozess und prüfe immer die Sachlichkeit des zu bewältigenden Motivs.
  • Jedes Thema versuche ich logisch und psychologisch zu verstehen und zu bearbeiten.
  • Meine Betrachtungen sind flexibel in den Perspektiven und halten sich unterschiedliche Handlungsoptionen offen.
  • Ich nutze Wissen und Erfahrungen aus verschieden Bereichen.
  • Ich lasse nicht den Eindruck entstehen, objektiv zu berichten. Schreiben ist immer subjektiv. Um Objektiv zu sein, müsste ich jede erdenkliche Meinung, jedes einzelnen Menschen darstellen. Dies erscheint mir unmöglich. Vielmehr beleuchte ich in meinen Reportagen den Abriss weniger Charakter und Gegebenheiten, dafür diese genauer.


    Weitere Themen:
    Grundvoraussetzungen für eine soziale Reportage
    Der Mensch ändert sich nie



Montag, 15. Oktober 2007

Schwamm drüber, ist vergessen - Al Gore und Günter Grass

Wir sind nicht nachtragend – schon gar nicht, wenn es um Kriegseinsätze geht

Können Sie sich noch daran erinnern, als der junge Günter Grass mit der Waffen SS paktierte? Ich nicht. Ich war nicht dabei. Doch in so vielen Zeitungen las sich das ganz anders. Da wurde leidenschaftlich angeprangert. Da wurde enthüllt und verurteilt. Da blieb kaum eine Schmach unberührt. Wie kann man nur? Wie konnte er nur?

Können Sie sich noch daran erinnern, als der neunundfünfzigjährige Al Gore mit den Kriegsplänen seines Landes Amerika paktierte? Sie nicht. Sie waren nicht dabei. Sie können sich nicht erinnern. Doch in so vielen Zeitungen las sich das ganz anders. Da wurde leidenschaftlich verteidigt. Da wurde überzeugt und begründet. Da wurde belobigt, sich in fremdem Eigen gesonnt. Wie ist man nur? Wie sind wir bloß?

Das erste geschah vor mehr als 60 Jahren. Aus dem jungen Mann wurde der angesehene Schriftsteller Günter Grass, der seit mehr als 50 Jahren, man kann sagen ein ganzes Leben, eine klare, demokratische Meinung vertritt.

Das zweite geschah vor nicht einmal fünf Jahren Aus dem einstigen Vizepräsidenten der USA, der bedingungslos die Kriegspäne George W. Bush vertrat, wurde ein Umweltschützer, der plötzlich eine andere Meinung vertritt.

Was sagt uns das in einer alten Weisheit: heule mit den Wölfen und du bekommst eine Auszeichnung.

P.S. Frau Künast (Die Grünen) gratulierte Al Gore zu seinem Friedensnobelpreis. Und zeitgleich stimmte ihre Fraktion für einen weiteren Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Wie viel CO2 stößt ein Panzer in die Umwelt?

Schwamm drüber, ist vergessen. Wir sind doch nicht nachtragend, schon gar nicht, wenn es um Krieg geht.

weitere Post: "Vereintes und friedliches Europa" - Afghanistan Einsatz der Bundeswehr

Freitag, 12. Oktober 2007

Grundvoraussetzungen für eine soziale Reportage

„Es scheint, der Mann nimmt sich nicht so ernst, wie er die Dinge nimmt.“ Bertolt Brecht (1920)

Das Wissen über das Unbewusste, die Urform unseres Ichs, dient als Grundlage der menschlichen Psychologie. Sie ermöglicht uns einen ersten Einblick im Umgang , nicht nur mit einem fremden Menschen. Auch bei der Recherche einer Reportage o. ä., wo Menschen eine wichtige Rolle übernehmen, sollten wir dieses emotionale Grundgerüst berücksichtigen.

Während wir unser rationales Wissen, d. h. Sprachentwicklung, Kommunikation, Diplomatie etc., zwar ein Leben lang erweitern können, hat es jedoch kaum Auswirkungen auf unser Verhalten. Wir sind bequem. Wir reagieren eher auf Dinge, die uns pausenlos „unter die Nase“ gehalten werden. Unser Gehirn ist sicher die beste Erfindung der Evolution, dennoch hat es einen entscheidenden Nachteil, unser Automatisierungsstreben. Wir wollen über Dinge, die wir tun, nicht nachdenken. Was unter anderem dazu führt, dass wir unsere schlechten Gewohnheiten nicht korrigieren, geschweige denn ablegen können. Dies führt wiederum dazu, dass manche Menschen null anpassungsfähig sind.

Wir suchen nicht nach Möglichkeiten uns der Umwelt anzupassen, vielmehr nach einer Umwelt, die zu uns passt, in der wir uns wohlfühlen. Wie wir dies tun, welche Umstände uns zu solchem Handeln treiben, darf ich regelmäßig auf meinen Reisen durch unsere Gesellschaft erleben. (z. Bsp. In meinem Buch „Zu Fuß von Dresden nach Dublin“, Reportagen)

Doch wie kommt man als Autor heran an die fremden Menschen, heran an ihre persönliche Meinung?

An erster Stelle müssen wir uns selbst reglementieren, dieses Unbewusste beiseitedrücken, nicht unterdrücken. Auch wenn es noch so verlockend ist, etwas zu veröffentlichen, sollte man sich nicht dem Zwang unterwerfen, gar dem Druck aussetzten, dies tun zu müssen. Das fällt schwer, mögen viele anmerken, vor allem dann, wenn man davon Leben muss. Dies ist allerdings ein anderes Thema.

Als Ausgangspunkt, wenn man und das nicht nur als Autor mit Menschen umgeht, ist Toleranz, Vertrauen und ein echtes Interesse gegenüber seinem Gesprächspartner. Hierzu gehört auch die Standhaftigkeit, privates nicht zu veröffentlichen, auch wenn es noch so große Vermarktungschancen bietet.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Ehrlichkeit gegenüber seinem Interviewpartner, welchem der Journalist davon in Kenntnis setzten sollte, sobald er eine Veröffentlichungsabsicht hegt. Er darf niemals davon ausgehen, der gegenüber merkt das schon nicht. Die Feinfühligkeit eines Menschen ist weder ergründbar noch zu durchschauen. Schließlich erwarten wir auch von unserem Partner, dass er ehrlich uns gegenüber ist. Um den Interviewpartner nicht gleich zu verschrecken, ist es ratsam, nicht sofort mit der Tür ins Haus zu fallen. Eine Erwähnung zwischendurch oder am Ende des Gespräches genügt. Zu diesem Zeitpunkt kann unser Gegenüber immer noch sein Veto einlegen.

Noch ein Wort zum Interviewpartner, sobald er weiß, es folgt eine Veröffentlichung:
- Er wird preisgeben, was gut für ihn ist, was er gern lesen möchte, damit er sich wohlfühlt.
- Menschen, die zur Selbstdarstellung neigen, werden sich produzieren.

Weiterführend siehe Brecht: "Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit" (1934/35) – Brecht Werke; Band 6; Schriften; Suhrkamp Verlag; Seite 171 – 186.

Weitere Themen:
Wie löse ich das Schreiben einer Reportage
Der Mensch ändert sich nie

Freitag, 5. Oktober 2007

Der Mensch ändert sich nie

„Lohnt sich das für mich?“ so fragt sich jeder Mensch täglich, mehrmals, ob bewusst oder unbewusst. Daran etwas zu ändern ist meist aussichtslos. Es ist kaum möglich die andere Persönlichkeit, geschweige denn, die eigene zu verändern. Da helfen die besten Vorsätze nichts. Verantwortlich dafür ist sicher unsere Inkonsequenz, die immer dann zu Tage tritt, wenn Verstand und Emotion gegeneinander ankämpfen. Gegen das Unterbewusste lässt sich schwer ankommen, es liegt in uns.

Das Unbewusste ist die Urform unseres Ichs, die Grundausrüstung mit welcher wir zur Welt kommen. Hierauf baut alles andere auf. Dieses Ich bestimmt zur Hälfte unsere Persönlichkeit. Der Weg des einzelnen Menschen ist somit vom ersten Atemzug an bestimmt, ob wir ängstlich, stabil oder draufgängerisch sind.

Wenn wir dies wissen, können und sollten wir dies auch unserem Gegenüber zugestehen. Diese Einsicht zählt zur zweiten Hälfte der Persönlichkeit, die wir uns, sofern wir sie nicht haben, antrainieren können. Von allein scheint dies ab dem Erwachsenenalter kaum noch möglich, da wir die Phase der sozialen Prägung bereits hinter uns haben. Dennoch können wir uns durch einen Zwang jene Einsichten und damit den zugehörigen Respekt auch später noch aneignen. Zumindest in einem gewissen Rahmen. Je zeitiger wir damit beginnen, desto höher sind unsere Erfolgschancen.