Samstag, 23. Dezember 2006

Die Schlacht um den Weihnachtsbaum

Noch schnell etwas eingekauft. Schnell auf den Weihnachtsmarkt geschaut, still und besinnlich soll es sein. Eifrig grabschen die Hände zwischen Dinge, welche immer feil geboten werden: Glühwein, Lederwaren, Keramik, Kalender und Bücher. Es sind doch nur noch ein paar Stunden.

Der Baum steht, was machen wir jetzt. Na klar, wir sind auf dem Weihnachtsmarkt. Wir müssen raus, alle müssen raus, was Beine hat, was gerade stehen kann. Auf zur letzten Schlacht um das billigste Weihnachtsschnäppchen. Heute gönnen wir uns was. Da stört es uns nicht, dass alles nicht mehr sau, sau billig ist. Doch was kaufen, so in aller Hast?

Im Schneckenschritttempo geht es über den Platz, zwischen den Buden, auf den engen Wegen, dicht an dicht. Einen Grock an der Bude dort an der Ecke, da wird es uns warm ums Herz. Und wieder rein ins Gewühle. Da rutscht uns, während aus den Lautsprechern „Stille Nacht, Heilige Nacht“ dröhnt, so manches böse Wort, gar Beleidigung gegenüber den Händlern heraus. Die nehmen es äußerlich gelassen, tragen es mit Würde, wollen sie doch etwas verkaufen. Die armen Geliebten zu Hause, die müssen den Frust dann später am Abend ertragen.

Schöne Bescherung und ein fröhliches Neues Jahr.


Samstag, 16. Dezember 2006

10. Lesung – die letzte Lesung in diesem Jahr

Nervös bin ich immer noch, bei jedem neuen Vortrag, als sei es der Erste meines Lebens. Wie wird das Publikum reagieren? Wird es mich akzeptieren, mich gar verdammen? Erzähle ich zu langsam, kann es mir folgen, mir, demjenigen, welcher das Ende schon kennt. Habe ich etwas ausgelassen, das dem Verständnis dient. Tauchen Fragen auf, die ich nicht beantworten kann. Vielleicht möchte ich die eine oder andere Antwort auch gar nicht beenden. Schließlich möchte ich mein Buch verkaufen. Da ist die Zwickmühle, in welcher ich stecke.

Und am Ende bin ich erleichtert. Das Interesse ist da. Wie immer. Von Minute zu Minute werde ich ruhiger, entspanne mich, lasse die Stunden, und ich überziehe immer meine Vorträge, aufatmen. Das Publikum ist dabei.

Vergessen ist alles, wenn der Applaus ertönt. Und wenn ich auch nur eine Hand voll Leser begeistern konnte, so bin ich doch glücklich. Der Abend ist gelungen.

Buch: „Zu Fuß von Dresden nach Dublin“ – 3100 Kilometer ohne Geld durch Europa

Freitag, 8. Dezember 2006

Kostet nichts die eigne Seinung

Feststeh’n tut das Urteil gleich
über all die Dinge,
nicht über das Gesetz.

Ideen braucht man und ein Reich
überkluger Leute
im weltbeweihten WEB.

Da findet man Gesuchtes,
kostenlos im breiten Ringe,
vielerlei Verruchtes,
mittelmäßiges Gesinge.

Angepasst ist da die Meinung,
allgemein mit fetter Beute,
kostet nichts die eigne Seinung.
So ist’s allgemein wohl heute.

Dienstag, 5. Dezember 2006

Der Papst ist da...

Der Papst ist fort, weg, abgereist aus der Türkei, aus einem moslemischen Land. Betrachtet von nicht mehr als 100 Händen voll Gläubigen. Verachtet von mehr als 100000 Händen voll Ungläubigen, wie er glaubt. Und überall kann man es lesen in den Zeitungen, hören im Radio und sehen im Fernsehen. Meinungen werden aufgezeigt, Demonstrationen vorgeführt, und die Politik arrangiert sich mit der Meinung des Allgemeinen.

Und hinter mir in der Bahn sitzt ein Ehepaar. Der Mann so groß wie seine Frau breit ist. Er liest in der Zeitung, die bildet oder es zumindest vorgibt. Und er spricht zu seiner Frau: „Der Papst reiste zum ersten Mal in ein moslemisches Land.“
„Na und“, antwortet sie interesselos.
„Das steht hier.“
„Na und“, meint sie: „da fahren wir auch hin, nächste Woche.“
„Was meinst du?“„Na dahin, wo der Papst war. Nur der reiste umsonst dahin, und wir müssen 99 Euro bezahlen, in die Türkei.“

Freitag, 1. Dezember 2006

Lenin und Stoiber

Nun, ich bin ein Fan der öffentlichen Verkehrsmittel. Einer, welcher auf die Umwelt bedacht ist, mögen die einen sagen. Nicht nur, da spielt der Preis eine wichtige Rolle, meinen die anderen dazu. Bei mir liegt es anders. Während der Fahrt möchte ich mich auf andere Dinge konzentrieren. Nicht auf den Gegenverkehr und den städtischen Schilderwald achten, geschweige denn mir einen Parkplatz verschaffen, welcher zudem noch bezahlbar erscheint.

In München macht es einfach Spaß. Der Nahverkehr ist wesentlich preiswerter als in Dresden. Ich komme jederzeit irgendwohin und irgendwie erscheinet mir auch das Fahrpersonal höflicher zu sein. Der Fahrer wartet, wenn man sich einer Bahn auch nur augenscheinlich hinterher hascht. Überall hat er seine Augen.

Selbst in der Bahn, es herrscht zwar betriebsame Geschäftigkeit, zeigen sich die Menschen offener. Wir, meine Freunde und ich, haben gerade den Stadtplan ausgebreitet, um zu schauen, zu diskutieren, wohin wir müssen, da werden wir schon angesprochen: „Das Kalinka suchen sie“, fragt der Mittevierziger mit schlohweißem Haar.
„Die russische Disko mit dem großen Leninkopf“, ergänzt meine Bekannte.
„Den gibt es doch gar nicht mehr“, fällt der Herr ein. Wir stutzen.„Ja“, ergänzt er: „da ist jetzt der Stoiber aufgestellt wurden“ und lacht...

Kalinka: 80 Sorten Wodka, russische Popmusik, geöffnet Freitag und Samstag von 22 und 5 Uhr, Grafinger Strasse 6, Eintritt: 6 Euro, Anfahrt U5, S1-8 zum Ostbahnhof

Donnerstag, 30. November 2006

Hipp, überfüllt und winterfest...

Da stehe ich nun zwischen all den Menschen. Da ist ein Geschiebe und Gedrängel, überall wird geschnattert und telefoniert. Geschäftig ist diese Stadt, München. Das bemerkt man am Gang der Frauen, an den Anzügen der Männer. Gegelte Haare sind der letzte Schrei. Nicht nur an den Menschen kreiert man das neue, das Kalte.

Nach einem gemütlichen, warmen Cafe muss man schon lange suchen. An der großen Freiheit leckt ein hippes Cafe am anderen kalten Kaffeehaus. Modern sehen sie aus, hell, freundlich anmutend, mag sein. Doch wohlfühlen kann ich mich nicht. Nach einem Stadtrundgang habe ich genug. Die Bauwerke und Architekturstile Münchens passen noch weniger zusammen, als jene in Frankfurt am Main. Selbst die Isar, im Gegensatz zum Main, ist unbeschaulich. Müde würgt sich das Plätschern durch die Stadt. Da kommt mir der Englische Garten gerade gelegen.

Ruhe, Erholung frönt er mir entgegen. Das brauche ich und so freue ich mich, dass der Garten bereits für den Winter vorbereitet wurde. Hier gibt es nichts mehr zu sehen...Oder doch, gerade Wege, gestutzter Rasen und exakt geschnittene Hecken. Drüben bellt ein Hund, sein Besitzer mahnt ihn zur Stille. Eine alte Dame wackelt ihrem Dackel hinterher und die junge Mutti, zur gegenüberliegenden Seite, schiebt ihren Kinderwagen über den feinen Kieselweg.

Montag, 27. November 2006

Der neue Reisende

Früher ist man getrampt, wenn man als Reisender und nicht nur als Reisender, sparen wollte. Nach dem Krieg bis weit in die 60ziger Jahre gab es eine richtige Kultur des Trampens. Viele Fahrer hielten einfach an, um sich zu unterhalten. Vielmehr kaum. Die Menschen haben sich geändert, haben nicht nur die Preise für die öffentlichen Verkehrsmittel angehoben.

Heute stoppt kaum noch jemand. Vielleicht spielt die Angst vor Überfällen eine große Rolle, die offenkundig propagiert wird. Oder liegt es doch daran, dass wir das Gefühl für den Preis und die Leistung verloren haben.

So habe ich mir das gedacht. Für eine Reise nach München entschied ich mich für eine Mitfahrgelegenheit. Fluchs den Suchbegriff ins Internet eingegeben, eröffneten sich mir duzende Angebote. Und der Preis pro Strecke konnte sich auch sehen lassen: 25 Euro hin und 25 Euro zurück, ohne umzusteigen.

Der Fahrer erzählte mir, er fahre die Strecke der Arbeit wegen, immer zwei Mal die Woche. Also stieg ich ein, am Donnerstag. Sein Transporter fasste acht Mitfahrwillige. 40 haben sich gemeldet, meinte er. Auf meine Frage hin, was er denn in München arbeite, antwortete er ausweichend mit: Mal dies, Mal jenes. Er will arbeiten, nicht dem Staat auf der Tasche liegen.
In München eingetroffen, ist mir die Sache klar. Der junge Mann hat sich eine Selbständigkeit aufgebaut. Vier- bis fünfmal in der Woche nimmt er die Strecke nach München auf sich. Morgens bricht er auf, trifft gegen Mittag ein, verbringt die Stunden bis zum Abend in einem Parkhaus in der Stadt. Er schläft und schlummert vor sich hin, um pünktlich am Abend eine neue Ladung Reisewilliger zurück zu fahren.

Leben kann er davon gerade so, nicht üppig, doch er ist wer, er hat Arbeit. Und unterhalten, brauchen wir uns nicht mehr, Geldwechseln. Der Geldbeutel bestimmt den Preis, richtig.
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Donnerstag, 16. November 2006

Die Plastiktüte

„50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Welt zu retten und wie Sie dabei Geld sparen“, heißt ein neues Buch aus dem Heyne Verlag. `,Da müssen wir doch was tun’, dachte sich auch der circa 60jährige Herr, dem ich gestern in einer Buchhandlung begegnete.
Stolz drehte und wendete er dieses Werk. Flugs betrachtete er einige Seiten, staunte wohl mit wie viel Phantasie die Seiten mit Buchstaben gefüllt und dass die Buchstaben auch noch Wörter ergeben. ,Kauf ich!’ Gedacht, getan, schritt er zur Kasse und legte seinen Fund der Verkäuferin vor. Gegen 5,95 Euro und einen Herzlichen Dank gab sie ihm das nackte Buch in die Hand. Die freundlichen Worte der Verkäuferin müssen dem Herren arg aufgestoßen haben.
„Tüte“, sagte er forsch.
„Bitte“, fragte sie und weißt dabei dezent mit ihrer Hand auf sein eben erworbenes Buch hin.
„Hören Sie schlecht“, kläffte er: „oder soll ich das Buch in der Hand mit mir rum tragen!“ Sichtlich verwirrt gab sie ihm, noch einmal sich für seinen Kauf bedankend, eine Plastiktüte.
„Unmöglich die Leute“, murrte er und ging.

Weitere Begebenheiten aus dem Leben eines Buchhändlers gibt es im Buchhändlerblog.

Sonntag, 12. November 2006

Ehrliche Antworten auf konkrete Fragen

Kleine Vorträge sind interessant. Und um an solch einem teilzunehmen, muss man suchen, man sich in der Szene auskennen. Für Werbung geben dessen Veranstalter kaum Geld aus. Ein paar Handzettel da, ein Plakat am Veranstaltungsort und ein Eintrag in diversen Internetportalen. Dafür findet sich dort ein wirklich interessiertes Publikum ein. Jeder darf mitreden, jeder darf seine Meinung sagen. Dem Vortragen wird es nicht lästig, er hat sichtlich Freude daran, auf jeden einzugehen. Selbst der schüchternste Zuhörer findet den Mut seine Frage loszuwerden und diese wird kompetent beantwortet. Die Wichtigtuer, die dazwischenreden, Fragen stellen, welche der Vortagende kurz zuvor beantwortete, fehlen hier gänzlich. Ihnen fehlt sichtlich das Publikum. Ein Grund, warum ich selbst Vorträge in kleinerem Rahmen halte. (Das fünfte Rad)

Da saß ich nun vergangenen Freitag im Vortrag über die Arbeit in Angkor Vat (Kambodscha) eines Kunsthistorikers. Zurückhaltend, kompetent und sachlich berührte er den einstigen Tempel des Khmer-Volkes. Ursprünglich hätte er gern über den Dresdener Zwinger promoviert, doch sein Professor dirigierte ihn zu diesem Thema. So mischte sich in seine Ausführungen immer wieder die Frage, weshalb so viele Touristen nach Indien und Südostasien unterwegs sind. Spirituell wollen sie reisen, zu sich selbst finden. Das in einer uns fremden Welt, wovon wir kaum einen Einblick in dessen Götterwelt und Lebensweise haben, alles anders ist, halten sie für unmöglich. Gefallen hat es den meisten dieser Touristen nicht. Geben wir doch in den seltensten Fällen zu, dass unser Urlaub ein Reinfall war, wir uns nach einer vertrauten Welt sehnen.

Dienstag, 7. November 2006

Willkommen

Schwer dürfte es mir nicht fallen, einen Weblog zu beginnen. Schreibe ich doch seit 20 Jahren Tagebuch. So eine Fundgrube voller Ideen, was mich im Augenblick interessiert, worüber ich irgendwann einmal schreiben möchte. Und manchmal, sollte ich einmal themenlos sein, schmökere ich ein wenig darin. Zuweilen fällt mir dessen Unübersichtlichkeit auf. Zuweilen ist eine Idee ausgereift bearbeitet. Der Rote Faden bleibt, tummelt sich in Episoden aus dem Leben in irgendeinem Schrebergarten, einer Kneipe um die Ecke, eine nie zu Ende gehende Reise.
Schnell treiben wir durch unsere Gesellschaft. Wie angestochen hetzen wir durch unser Leben, vorbei an den Menschen, von denen wir glauben, sie zu kennen. Darum lade ich Sie ein, mit einfachen Mitteln zwischen Frankreich und Zentralasien, zwischen Russland und Deutschland unterwegs zu sein: Zum letzten Geheimnis unserer Erde – Menschen.

Zitat:
"Ihr habt den Gang der Gestirne bis ins Letzte erforscht, als eine Generation von Helden des Laboratoriums, aber ihr kennt das Gestirn nicht mehr. Es ist nur noch ein Kapitel in euren Büchern, aber es ist für euch nicht mehr ein Licht, denn ihr wisst weniger von ihm als ein Kind"
Saint-Exupéry (1900-1944)