Montag, 27. November 2006

Der neue Reisende

Früher ist man getrampt, wenn man als Reisender und nicht nur als Reisender, sparen wollte. Nach dem Krieg bis weit in die 60ziger Jahre gab es eine richtige Kultur des Trampens. Viele Fahrer hielten einfach an, um sich zu unterhalten. Vielmehr kaum. Die Menschen haben sich geändert, haben nicht nur die Preise für die öffentlichen Verkehrsmittel angehoben.

Heute stoppt kaum noch jemand. Vielleicht spielt die Angst vor Überfällen eine große Rolle, die offenkundig propagiert wird. Oder liegt es doch daran, dass wir das Gefühl für den Preis und die Leistung verloren haben.

So habe ich mir das gedacht. Für eine Reise nach München entschied ich mich für eine Mitfahrgelegenheit. Fluchs den Suchbegriff ins Internet eingegeben, eröffneten sich mir duzende Angebote. Und der Preis pro Strecke konnte sich auch sehen lassen: 25 Euro hin und 25 Euro zurück, ohne umzusteigen.

Der Fahrer erzählte mir, er fahre die Strecke der Arbeit wegen, immer zwei Mal die Woche. Also stieg ich ein, am Donnerstag. Sein Transporter fasste acht Mitfahrwillige. 40 haben sich gemeldet, meinte er. Auf meine Frage hin, was er denn in München arbeite, antwortete er ausweichend mit: Mal dies, Mal jenes. Er will arbeiten, nicht dem Staat auf der Tasche liegen.
In München eingetroffen, ist mir die Sache klar. Der junge Mann hat sich eine Selbständigkeit aufgebaut. Vier- bis fünfmal in der Woche nimmt er die Strecke nach München auf sich. Morgens bricht er auf, trifft gegen Mittag ein, verbringt die Stunden bis zum Abend in einem Parkhaus in der Stadt. Er schläft und schlummert vor sich hin, um pünktlich am Abend eine neue Ladung Reisewilliger zurück zu fahren.

Leben kann er davon gerade so, nicht üppig, doch er ist wer, er hat Arbeit. Und unterhalten, brauchen wir uns nicht mehr, Geldwechseln. Der Geldbeutel bestimmt den Preis, richtig.
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